Der Titicacasee – Unterwegs auf dem Meer der Anden

Der Titicacasee – Unterwegs auf dem Meer der Anden

Oktober 27, 2019 0 Von Der Admin

Hoch oben im peruanischen Altiplano (einer riesigen Hochebene in den Anden) auf einer Höhe von über 3.800 m liegt der größte See Südamerikas. Der Titicacasee ist mit einer Fläche von 8.288 km² einer der höchstgelegensten schiffbaren Seen der Welt. Er ist 15 mal größer als der Bodensee und wird auch das Andenmeer genannt. Geographisch gehört er sowohl zu Peru als auch zu Bolivien.  Fragt man Peruaner, gehören 60 % seiner Fläche zu Peru, fragt man Bolivianer, gehören 60 % des Sees zu Bolivien 😉 Auf der bolivianischen Seite liegt auch die große Halbinsel Copacabana. Mit ihrem langem, halbmondförmigen Strand war sie der Namensgeber für die weitaus mehr bekannte Copacabana in Rio de Janeiro. Die Bolivianer nennen den brasilianischen Namensvetter daher liebevoll „Copycabana“ 😉

Spiegelglatte Wasseroberfläche des Titicacasees.

Die beiden größten Orte am Titicacasee auf peruanischer Seite sind Juliana und Puno. Puno soll die schönere Stadt sein und so hat auch die Tigerente ihr Quartier dort aufgeschlagen. Puno liegt am westlichen Ufer des Titicacasees und ist mit 180.000 Einwohnern eine eindrucksvoll große Stadt – im kargen Altiplano umso überraschender. Die dichte Bebauung Punos zieht sich vom Ufer die steilen Hänge hinauf. Mit ihren größtenteils ockerfarbenen Fassaden fügen sich die Gebäude optisch in die Landschaft ein, so dass das Stadtbild einen spannenden Anblick bietet.  

Die Stadt Puno liegt auf etwa 3.800 m Höhe.

Die beiden auffälligsten Gebäude Punos sind wohl das Hochhaus der Universität, an der über 20.000 Studierende in ca. 40 Studiengängen eingeschrieben sind, und das moderne, 35.0000 Besucher fassende Fußballstadion. In dieser extremen Höhe Leistunssport zu betreiben, ist allerdings eine Klasse für sich: Gegen die Heimmannschaft haben Mannschaften aus tiefer gelegenen Gebieten regelmäßig keine Chance – sie sind die extreme Höhenluft nicht gewohnt. Spielt die Mannschaft aus dem hochgelegenen Puno dagegen beispielsweise in Lima (und damit ungefähr auf Meereshöhe), so leiden die Sportler aus dem Hochland unter Schwindel, Kurzatmigkeit und Kopfschmerzen – ein Fall der „umgekehrten Höhenkrankheit“… Boliviens Hauptstadt La Paz hat angeblich sogar eine sehr passable Fußballmannschaft, die es jedoch wohl nie in die Weltklasse schaffen wird, da sie nur in großer Höhe ihr Leistungsniveau erreicht! 

Aber die Tigerente ist natürlich weder hergekommen, um sich Sportveranstaltungen anzusehen, noch um selbst Sport zu treiben – das wäre ihr hier oben viel zu anstrengend – sondern um sich den Lago Titicaca anzuschauen! Und das geht natürlich am besten mit dem Boot. Im Hafen von Puno liegen Hunderte von Ausflugsbooten – zum Glück startet heute nur ein Bruchteil davon! Jetzt zu Anfang November ist vergleichsweise wenig los; die Tigerente mag sich gar nicht vorstellen, was für ein Trubel zur Hochsaison im Juni und August herrscht! Im Boot ist es warm, doch wer sich auf dem offenen Wasser auf Deck traut, muss sich dick anziehen! Das Klima am Titicacasee ist – wie alles hier – extrem. Tagsüber kann es sehr heiß werden (vor allem in der sengenden Sonne), nachts jedoch wird es eiskalt. Im peruanischen Winter erreicht das Thermometer dann auch gerne mal Minusgrade… 

Panorama am Titicacasee.

Wie fast immer am Titicacasee strahlt auch heute die Sonne vom beinahe wolkenfreiem Himmel. Das Boot gleitet über das spiegelglatte und überraschend klare Wasser hinaus zu den Islas flotantes. Die schwimmenden Inseln von Uros liegen etwa 5 km von Puno entfernt und sind mit dem Boot schnell zu erreichen. Das Besondere an diesen Inseln ist, dass sie aus dem am Lago Titicaca wachsenden Totora-Schilf gebaut werden und auf dem Wasser schwimmen! Die Islas flotantes sind sogar so groß, dass auf jeder der über 100 Inseln mehrere einfache Schilfhütten Platz haben.

Ein „Dorfplatz“ auf einer der schwimmenden Inseln.

In diesen Schilfhütten wohnen auch heute noch Menschen: Das Volk der Uros ist vor langer Zeit aus der Karibik zum Titicacsee geflohen – wohl, weil es in ihrer Heimat feindliche Kannibalenstämme gegeben hat und sie verständlicherweise wenig Lust hatten, in deren Kochtopf zu landen. Da die Uros aber am Titicacasee ebenfalls nicht sicher vor den heimischen Stämmen der Aymara waren, musste eine Lösung her. Die Geflohenen entdecken, dass das im See wachsende Schilf äußerst schwimmtauglich war. Während sie mit Booten auf den See flüchteten, entstand die Idee, aus dem Schilf ganze Insel zu fertigen. Dies war offenbar eine so hervorragend Abwehrstrategie, dass die Uros sich auf den Inseln niederließen und sie seither bewohnen. Der Name Titikaka stammt übrigens aus der Sprache der Aymara. „Titi“ heißt „Puma“ und „kaka“ bedeutet „grau“. Über die Entstehung des Namens gibt es viele Legenden. Eine besagt, dass die spanischen Eroberer missverstanden, was ihnen die indigenen Völker sagen wollten, wenn sie in Richtung See deuten und„titi caca!“ riefen. Die Spanier dachten, dies sei der Name des Sees, während tatsächlich vor einem sich nähernden Puma gewarnt wurde…

Heutzutage leben noch über 1.000 Menschen auf den schwimmenden Inseln. Ihr alltäglicher Begleiter ist nach wie vor das Schilf. Es stellt nicht nur die Haupt-Bausubstanz dar, sondern wird auch zum Kochen und zum Speerfischen verwendet. 

Ein Miniaturnachbau eines Schilfbootes kann als Souvenir erworben werden.
Farbenfrohe Stoffbilder werden – angeblich – von Hand genäht und an Touristen verkauft.
Mit einem Boot aus Totora-Schilf überquerte auch Thor Heyerdahl den Pazifik von Südamerika Richtung Polynesien.

Mittlerweile legt das Boot auf einer der kleinen Inseln von Uros an. Kaum ausgestiegen, wird die Tigerente sehr freundlich und mit Wangenküsschen von einem kleinen Empfangskomitee der in farbenfrohe Trachten gekleideten Inselbewohner begrüßt. Unter großen Sonnenhüten verbergen sich lachende Gesichter und strahlende Augen. Die kleine Ausflugsgruppe wird über das Schilf zu einem kleinen „Dorfplatz“ geführt. Auf dem ungewöhnlichen Bodender schwimmenden Insel läuft es sich ein bisschen wie auf einem Schwamm – nur, dass dieser aus harten, dicken Halmen besteht. Die meisten Inselbewohner sind barfuß unterwegs – für die Tigerente kaum vorstellbar, das muss doch in den Fußsohlen pieksen! 

Die Tigerente darf sogar in die Hütten schauen und steht auf einmal mitten im Schlafzimmer von Rosa – der freundlichen Uros-Dame, die sie auf der kleinen Insel herumführt. Rosa erzählt, dass es nachts richtig kalt wird in ihrem Bett. Die Feuchtigkeit und Kälte des Sees ziehen durch das Schilf nach oben, auch wenn die Schilfschicht der Insel über einen Meter dick ist! Selbst das zusätzlich für Ihr Bett aufgebahrte Schilf und die zehn Decken, die sie als Matratze benutzt, helfen ihr wenig. Sie freut sich aber sehr darüber, dass ihr Dach mittlerweile mit einer Plastikplane unterlegt ist, so dass es wenigstens nicht mehr hinein regnet.


Die Hütte in der Bildmitte gehört Rosa – hier schläft sie jede Nacht.

Rosa ist eine der ältesten Frauen auf dieser kleinen Insel. Sie hofft, dass sie vielleicht nächstes Jahr Präsidentin ihrer Insel wird und bemerkt lachend, die Männer seien sowieso nur zum Kindermachen zu gebrauchen. Die Uros sind ziemlich demokratisch organisiert und wählen ihr Insel-Oberhaupt jeweils für ein Jahr. Jeder Bewohner kann so oft kandidieren, wie er oder sie möchte. Die oder der Gewählte trifft dann während der Amtsperiode die wichtigen Entscheidungen der kleinen Gemeinschaft, zum Beispiel was in der Stadt eingekauft wird, oder fungiert als Richter bei Streitentscheidungen. 

Es dauert etwa sechs bis sieben Monate, um eine Insel zu bauen. Doch damit ist die Arbeit nicht getan, denn alle vier bis fünf Monate muss das Schilf erneuert werden, sonst verrottet es und die Insel sinkt. 
Carachi werden diese kleinen Fische genannt, die auch in der Suppe gegessen werden.

Nachdem Rosa ihr die Insel gezeigt hat und sie eine kleine Fahrt mit einem Schilfboot unternommen hat, geht es für die Tigerente weiter zur Insel Taquile. Das Eiland liegt weiter außen auf dem Titicacasee und die Fahrt dorthin dauert knapp zwei Stunden. Bis 1920 war die Insel ein Gefängnis für politische Gefangene. Wer entkommen wollte, hätte bis zum Festland 10 Stunden durch 10 Grad kaltes Wasser schwimmen müssen, was naturgemäß die meisten Gefangenen von einer Flucht abhielt… Die lustigere Geschichte über Taquile soll Euch aber nicht vorenthalten werden: Taquile wird nämlich auch „Die Insel der strickenden Männer“ genannt. Auf dem kleinen Inselchen ist es Brauch, dass die Herren der Schöpfung bereits im Kindesalter das Stricken von ihren Vätern erlernen. Diese Fähigkeit ist notwendige Voraussetzung, um später auf dem Heiratsmarkt gute Chancen zu haben, denn der künftige Schwiegervater gibt nur sein „ok“ zu einer Hochzeit, wenn eine speziell anzufertigende Mütze so dicht gestrickt ist, dass Wasser, welches in sie hinein gekippt wird, nicht unten wieder heraus tröpfelt!

Auf der „Insel der strickenden Männer“ muss die Mütze sehr dicht gestrickt sein, wenn ein Mann das Einverständnis des Brautvaters zu einer Heirat haben möchte.

Ansonsten ist das Heiratssystem aber recht liberal: Gefallen sich Männlein und Weiblein, ziehen sie zusammen und absolvieren vor einer eventuellen Heirat ein „Probejahr“. In diesem Jahr sollen die künftigen Eheleute testen, ob sie es auf Dauer zusammen aushalten (eine sehr vernünftige Idee, wie die Tigerente findet). Erst, wenn das der Fall ist – und der Brautvater zustimmt – darf das Paar heiraten. Entdecken die Beiden innerhalb des Probejahres, dass sie doch nicht zueinander passen, haben sie keinerlei Verpflichtungen und trennen sich wieder.

Ein kleiner Frauen-Webrahmen auf Taquile.
Farbenfrohe Trachten und lebenslustige Tänze kann man auf Taquile bewundern.

Besucher von Tanquile sollten aber eine Verhaltensregel beachten: Als in der 80er Jahren der Tourismus auf der Insel startete, hatten die Inselbewohner zunächst Angst vor den Besuchern. Diese hatten schließlich eine ganz andere Haut-, Haar- und Augenfarbe! Auch Fotokameras waren äußerst suspekt, denn die Inselbewohnern glaubten, dass es sich dabei um Waffen handele. Noch heute fürchten einige ältere Einwohner, dass bei einem Foto mit Blitz ein Teil ihrer Seele genommen werde. Deswegen sollten Besucher immer fragen, bevor sie eine Person fotografieren. Die Kinder dagegen wissen zwar, dass Fotos harmlos sind, möchten aber im Gegenzug für ein Foto Schokolade oder Süßigkeiten.

Ach ja, ein Tipp noch für alle Peruurlauber, die gern klugscheißen: Machu Picchu (in der Sprache der Quechua-Indianer „Alter Berg“) wird richtigerweise „Mattschu piktschu“ ausgesprochen. Das bei uns so beliebte „Mattschu pittschu“ bedeutet übersetzt „Phallus“ 😉

Ausflugsboote im Hafen von Puno.
Bis zum Festland zu schwimmen ist lebensgefährlich. Zehn Stunden in zehn Grad kaltem Wasser haben schon in früheren Zeiten Gefangene auf Taquile von der Flucht abgehalten.


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