Der Piton de la Fournaise, einer der aktivsten Vulkane der Erde
Die Tigerente steht diese Nacht um halb vier auf, denn heute muss sie die Unterkunft wechseln und möchte dabei so wenig Straßensperren der Gelbwesten wie möglich passieren müssen. Besondere Sorge bereitet ihr dabei die Sperrung der einzigen Straße, die einmal quer durchs Inselinnere führt und auf die sie zwingend angewiesen ist. Auf der Hinfahrt hat sie allein an dieser Blockade zwei Stunden warten müssen! Da nachts die Barrikaden wohl abgebaut werden, fährt sie sehr früh los. Sie hat Glück und kommt ohne Probleme durch! Es ist erst halb sechs Uhr morgens, und egal, wie es straßensperrentechnisch heute weitergeht: Die Tigerente MUSS einfach den Abstecher zu dem eigentlichen Grund ihrer Reise nach La Réunion wagen: Dem aktiven Vulkan Piton de la Fournaise! Der „Glutofen“ (wie sein Name auf Deutsch übersetzt lauten würde) im Südosten der Insel gehört zu den aktivsten Vulkanen der Erde und spuckt – nach einer längeren Pause – seit dem Jahr 1998 wieder fröhlich Feuer – und zwar bis zu vier Mal jährlich!
Der 2632 m hohe Berg ist seit 1950 etwa 50 mal ausgebrochen; größere Ausbrüche treten im neun-bis-elf-Jahresrythmus auf. Die meisten Eruptionen sind recht harmlos und gut vorhersehbar: Bislang sind keine Menschen zu Schaden gekommen – wohl auch, da die Insel in Hauptabflussrichtung der Lava unbesiedelt ist und sich der Strom ungestört bis zum Meer vorschieben kann. Allerdings wurde beim Jahrhundert-Ausbruch im Jahr 2007 der Ort Le Tremblet durch giftige Dämpfe, eine Feuerwalze und sauren Regen bedroht.
Eine gefährliche Aschewolke und die besonders gefürchteten pyroklastischen Ströme entstehen am Piton de la Fournaise glücklicherweise nicht, da es sich um einen sog. „effusiven Vulkan“ handelt. Bei diesen fließt die Lava relativ ruhig ab, eine explosiven Eruption findet nicht statt. Diese Vulkane heißen daher auch „rote Vulkane“, während diejenigen, die bei ihren Eruptionen Aschewolken ausstoßen, „graue Vulkane“ genannt werden.
Zum Krater des einzig noch aktiven Vulkans von La Réunion führt die ca. 35 km lange Vulkanstraße. Die seit 2004 überwiegend geteerte „Route du Volcan“ entstand von 1957 bis 1968 und verläuft von Bourg-Mourat aus zunächst durch eine alpin anmutende Weidelandschaft mit einigen Nadelbäumen und Heidekräutern. Eine beeindruckende Schlucht, durch die der Riviere des Remparts fließt, kann ebenfalls von einem kleinen Aussichtspunkt an der Straße aus erblickt werden. Die Schlucht war ehemals eine Magmaader, die einbrach und einen bis zu 1.000 m tiefen Graben bildete. Folgt man der Route de Volcan, so trifft man im weiteren Verlauf auf die an eine Mondlandschaft erinnernde Plaine des Sables. An dieser ca. 3 km breiten Caldera kann man erahnen, wie riesig der Vulkan einst gewesen sein muss! Vor etwa 65.000 Jahren war diese rostbraune Landschaft der zweite Gipfel des Piton de la Fournaise, bis er mehrere Male zusammenstürzte und immer wieder von unten durch frische Lava aufgefüllt wurde.
Die Straße wird zur Schotterpiste, welche zwischen den beiden Kratern Piton Chisny (rechts) und Demi Piton (links) hindurch führt, bis sie schließlich in 2.311 m Höhe am Pas de Bellecombe endet. Dort befinden sich ein Parkplatz, ein kleiner Kiosk und eine Aussichtsplattform. Von hier aus bietet sich ein spektakulärer Ausblick über den 14 km messende Krater „Caldera Enclos Fouqué“ mitsamt bizarr geformten Flüssen aus erstarrter Lava. In der Caldera liegen auch die beiden Hauptkrater Dolomieu und Bory, von denen nur noch der Crateré Dolomieu aktiv ist.
Zum Crateré Dolomieu führt auch der Wanderweg, so man den Vulkan besteigen kann und will. Da die Tigerente so wahnsinnig früh aufstehen musste und überdies seitdem nichts essen konnte (Ihr erinnert Euch, sämtliche Supermärkte und Restaurants sind durch die Blockaden der Gelbwesten betroffen und aufgrund der morgendlichen Uhrzeit hätten sämtliche Möglichkeiten, etwas Essbares zu organisieren, ohnehin geschlossen…). Am einzigen möglichen Abstieg in die Caldera, der ebenfalls am Pas de Bellecombe startet, ist das gesamte Gelände um den Vulkan leicht kontrollierbar und je nach aktueller Gefahrensituation auch ohne Mühe durch die zuständigen Behörden absperrbar. Trotz des bislang glimpflichen Ausgangs seiner bisherigen Ausbrüche wird der Piton de la Fournaise selbstverständlich permanent seismografisch überwacht.
Der Weg in die Caldera würde zuerst etwa 200 steile Höhenmeter hinab und dann etwa zwei Kilometer über schroffes Lavagestein führen, bis er schließlich noch einmal etwa 500 Meter hoch zum Kraterrand ansteigt. Auch diese letzte Etappe muss in praller Sonne zurückgelegt werden, denn schattenspendende Pflanzen gibt es hier keine. Obwohl es auf der Insel sehr oft und sehr stark regnet, ist die Caldera staubtrocken. Der Boden besteht aus porösem Basalt, was das Wasser sehr schnell abfließen lässt. Die klimatischen Bedingungen entsprechen denen einer Wüste: Während es tagsüber sengend heiß werden kann, sinken die Temperaturen nachts auf etwa fünf Grad. Kein Wunder also, dass hier kaum Pflanzen oder andere Lebewesen zu finden sind.
Vorbei am Krater Formica Léo führt der Weg zu der aus einer Gasblase entstandenen Höhle Chapelle de Rosemont. Wer tatsächlich die gesamte Strecke geschafft hat, der kann am Ziel endlich in das Kraterinnere blicken! Der Crateré Dolomieu kann zwar leider nach einem größeren Einsturz im Jahr 2007, als eine Eruption ein bis zu 360 m tiefes Loch in ihn sprengte, nicht mehr umrundet werden. Allerdings gibt es einen Aussichtspunkt, der einen Blick in‘s Innere des Vulkans erlaubt.
Eine kurze Info noch für all Diejenigen, die bei ihrem Urlaub auf La Réunion dem Piton de la Fournaise ebenfalls einen Besuch abstatten möchten: Denkt an ausreichend Verpflegung und Wasser, denn bei gutem Wetter kann sich das dunkle Vulkangestein durch die starke Sonneneinstrahlung ganz schön aufheizen! Zudem solltet Ihr definitiv brauchbare Wanderschuhe anziehen, denn die Tour über den zum Teil sehr scharfkantigen Basalt ist ziemlich anstrengend. Spätestens nachmittags wird es außerdem oft neblig und regnerisch, so dass es gefährlich glatt werden kann. Am besten packt Ihr eine Regenjacke und wegen der bei schlechtem Wetter schnell abfallenden Temperatur auch einen warmen Pullover ein. Da das Wetter sich mit voranschreitender Tageszeit meist verschlechtert, ist es sinnvoll, möglichst früh aufbrechen und genug Zeit einplanen.
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